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”Kinder sind ebenso wie Dichter, Musiker
und Naturwissenschaftler eifrige Forscher und Gestalter. 
Sie besitzen die Kunst des Forschens und sind
empfänglich für den Genuss, den das Erstaunen bereitet. 
Unsere Aufgabe besteht darin, den Kindern
bei ihrer Auseinandersetzung mit der Welt zu helfen,
wobei all ihre Fähigkeiten, Kräfte und Ausdrucksweisen
eingesetzt werden.”
 
(Loris Malaguzzi)

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Die für uns wichtigsten
Vorteile des offenen Konzepts

Die Kinder können sich in den Räumen frei bewegen, genau wie zu Hause auch. Dabei sind die Räume nach ihren Funktionen geordnet und es findet nicht jede Tätigkeit in einem Raum statt, was zu viel Ablenkung und Unkonzentration führen kann, weil die verschiedenen Tätigkeiten mit unterschiedlicher Lautstärke ausgeführt werden.

So z.B. wenn Kinder in der herkömmlichen Regelgruppe auf ihrem 2-3 m großen Bauteppich ein Bauwerk bauen, ein anderes Kind vorbeiläuft und dabei ungeschickt ist, weil der Raum so klein ist, dass es gar nicht ausweichen kann, am Frühstückstisch zur gleichen Zeit eine Kanne umkippt usw. findet hier bei einer Gruppenstärke von 25 Kindern in einem Raum soviel gleichzeitig statt, dass die Kinder automatisch mit sehr viel Ablenkung leben müssen und enstprechend kürzere Phasen der Aufmerksamkeit für eine Tätigkeit erleben.

Im Funktionsraum bauen Kinder oft stundenlang an einem Projekt und haben dazu den ganzen Raum zur Verfügung, können auch ohne weiteres zu 6-8 Kindern daran teilnehmen ohne sich im Weg zu stehen....

Gerade im offenen Kindergarten ist jedes Kind willkommen und wird so angenommen, wie es ist. Die Kinder werden mit ihren Bedürfnissen und Interessen ernst genommen, ohne dass sich der Erwachsene als allwissend oder allmächtig darstellt. Die Erzieher/innen schaffen für die Kinder und ihr Lernen eine entspannte Atmosphäre. Durch die Zuordnung der Kinder zu einer Stammgruppe (Bärenhöhle, Tigersteppe und Hasenbau) mit  festen Gruppenerzieherinnen haben die Kinder und die Eltern jeweils feste Ansprechpartner, an die sie sich jederzeit mit ihren Anliegen wenden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass mehrere Erzieher/innen das einzelne Kind in den verschiedensten Spielsituationen erleben und beobachten. Die Erzieherinnen stehen im ständigen Austausch über diese Beobachtungen und die Ergebnisse werden den Eltern in regelmäßig stattfindenden Elternsprechtagen mitgeteilt.

In der Eingewöhnungsphase haben die Kinder die Möglichkeit, in einem Raum mit ein oder zwei festen Bezugspersonen zu bleiben. Später dann, wenn sie mehr Sicherheit erlangt haben, ist die Zahl der für sie erreichbaren Kinder und Erzieher/innen wesentlich höher, als in den “Stammgruppen” der traditionellen Einrichtungen. Sie können sich ihre “Lieblingserzieherin” suchen, die vom Typ her zu ihnen passt.


Zusammengefasst:
  • Um den bei Kindern beobachteten Entwicklungsbedürfnissen Rechnung zu tragen, haben wir die üblichen sogenannten Regelgruppen aufgelöst und den Kindern die Möglichkeit eingeräumt, sich in freigewählten Spielgruppen mit selbstgewählten Aktivitäten zu befassen.
  • Man kann beobachten, dass dadurch die Spielfreude, das Engagement und die Begeisterung der Kinder merklich steigt, dass sich Konzentration und Aufmerksamkeit erhöhen und das Aggressionen und Langeweile deutlich zurückgehen.
  • Es zeigte sich, dass gut durchdachte Funktionsräume (z.B. Bau- und Bewegungsräume, Künstlerwerkstätten) die Wahrnehmung und Ausübung der kindlichen Interessen und Bedürfnisse steigert und sich alle Beteiligten im Alltag wohler fühlen.

Schwerpunkt Bewegung

Im offenen Konzept ist ein Schwerpunkt Bewegung, schon alleine durch die verschiedenen Räume, die die Kinder im Laufe des Vormittags aufsuchen können, gegeben. Das Gebäude ist sehr groß. In jedem Raum ist Bewegung möglich. Der Flur, der Bewegungsraum, der täglich zur Verfügung steht und nicht nur zu fest eingeteilten Zeiten, nicht zuletzt natürlich das riesige Außengelände, mit all seinen Bewegungsmöglichkeiten.

Ein wichtiger Faktor für unsere angeleiteten Bewegungsstunden ist die Arbeit nach dem Prinzip der Psychomotorik. Die Frage nach dem „Warum" stellt sich dem Außenstehenden. Dazu möchten wir den Begriff Psychomotorik kurz definieren.

Der Begründer der Psychomotorik in Deutschland, Prof. E. J. Kiphard, kennzeichnet die Psychomotorik als ganzheitliche, humanistische, entwicklungs- und kindgemäße Art der Bewegungserziehung. Es besteht eine enge Verbindung von Psyche und Motorik. Die seelische und körperliche Entwicklung stehen in enger Beziehung zueinander. Bewegungserfahrungen sind immer auch grundlegende Sinneserfahrungen. Durch die Sinne begegnet ein Kind den Lebewesen und Dingen, es kann sie sehen, hören, befühlen und anfassen, kann sie  schmecken und riechen, sich an und mit ihnen bewegen, Kinder wollen ihre Umwelt mit allen Sinnen in sich aufnehmen und auf sie einwirken, selbst tätig sein.Die Kinder in der heutigen Zeit können sich oft immer weniger selbst bewegen, weil fast alle Wege aus Zeitmangel per Auto erledigt werden. Einen großen Teil ihrer Zeit verbringen Kinder zudem heute vor dem Fernseher sitzend oder bei Computerspielen. Die Bewegungsräume draußen sind heutzutage oft zugebaut oder es ist zu gefährlich Kinder dort alleine spielen und toben zu lassen.Kinder brauchen aber die Bewegung, um sich wohlzufühlen und um sich selbst und die Dinge ihrer Umwelt kennen zu lernen, um mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen und sich ihnen mitteilen zu können. Bewegung ist aber auch Grundlage ihrer geistigen Entwicklung: Bevor sie sich eine „Begriff" von der Welt machen können, müssen sie sie mit allen Sinnen erfassen und begreifen können. Aus diesen Gründen halten wir vielseitige Bewegungsangebote im Kindergarten für sehr wichtig.Durch oftmals simple und gar nicht als solche wahrgenommenen „Übungen" im Alltag, können die Kinder vielfältige Erfahrungen in der Sinneswahrnehmung machen.Einige Beispiele wo Kinder im Kindergarten ihre Wahrnehmung mit Psychomotorik fördern in dem sie einfach Spaß an der Sache haben:Beim Rollerfahren, Laufradfahren, balancieren auf dem Balken oder dem Wackelsteg, schaukeln in der Hängematte oder auf den Schaukeln draußen, drehen im Kreisel, fahren auf dem Rollbrett oder Pedalo – dies alles fördert unter anderem den Gleichgewichtssinn des Kindes, das Gehen auf dem Tastweg, Massage mit Igelbällen fördert den Tastsinn und die Körperwahrnehmung. Dies sind nur einige wenige Beispiele die zeigen, wie im Alltag des Kindergartens gewissermaßen „Nachhilfesituationen" geschaffen werden, in denen Wahrnehmungserfahrungen vielfältig vermittelt werden können.

Der Begriff Psychomotorik drückt auf wunderbare Weise den engen Zusammenhang zwischen der äußerlich sichtbaren Bewegung (Motorik) und dem inneren Erleben (Psyche) des Menschen aus. Was wir mit all unseren Sinnen wahrnehmen, wie wir Situationen erleben und auf diese reagieren, wie wir uns bewegen und handeln ist ein immerwährender sich aktualisierender Prozess des ganzen Menschen, aktiv eingebunden in seine Umwelt.

Für uns ist Psychomotorik ein geniales Arbeitskonzept, weil es den engen Zusammenhang von Körper, Geist und Seele des Menschen nutzt und auf sehr kindgerechte Weise über Bewegung und Spiel eine ganzheitliche Entwicklungsbegleitung ermöglicht. 


Geschichte und Wurzeln des Offenen
Konzepts nach Hans-Joachim Rohnke

Ein immer wieder genannter Einschnitt in der bundesdeutschen Bildungsdiskussion stellt der so genannte Sputnikschock und die hierauf einsetzende Bildungsreformdebatte (beflügelt durch das sog. Picht-Gutachten) der sechziger Jahre dar. Den Verantwortlichen wurde klar: Deutschland muss mehr in das Thema Bildung investieren, um nicht Gefahr zu laufen, seine wieder erworbene Spitzenposition im Kreis führender Industrienationen zu verlieren. Es ging darum, vorhandene Bildungspotenziale sehr viel stärker frühzeitig zu fördern und für anspruchsvollere Bildungsbiografien zu gewinnen. Das bedeutete, vor allem Frauen und Kinder aus Arbeiterfamilien gezielt den Zugang zu weiterführenden und differenzierenden Bildungseinrichtungen zu ermöglichen und durch flankierende sozialpolitische Maßnahmen zu unterstützen.

Insbesondere in der Ära Willy Brandt kam es zum Ausbau des Bildungswesens, also einer Zunahme von Ausbildungsplätzen und Zugangsmöglichkeiten zu Schulen und Hochschulen, und zu einem finanzpolitischen Kraftakt, nämlich der Einführung des Bafögs, das Kindern einkommensschwacher Familien die nötige finanzielle Unterstützung gewähren sollte. Gleichzeitig wurde darüber nachgedacht, wie die Inhalte der teilweise recht antiquierten Ausbildungs- und Studiengänge modernisiert und ergänzt werden könnten.


Eigenständiger Bildungsauftrag von Kindergärten

Der Kindergarten wird in dieser Neuordnung 1970 im Strukturplan des Deutschen Bildungsrats zum Elementarbereich des deutschen Bildungswesens erklärt und mit einem eigenständigen Bildungsauftrag versehen. Unter Bildungsförderung wird zu dieser Zeit vor allem die curricular organisierte und frühe Förderung kognitiver Fähigkeiten verstanden (Zeiher 2001, S. 434). Entsprechend finden sich in den verschiedenen Bundesländern Vorschulmappen, Übungskästen und Lernspiele in den Kitas. Nicht wenige ErzieherInnen (damals noch KindergärtnerInnen genannt) avancierten dabei mit nicht unbescheidenem Stolz quasi zu einer Art Vorschullehrerin, allerdings bei gleichbleibend niedrigem Gehalt.

Gegen diese Art der isolierten Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten (auch als so genannter funktionsorientierter Ansatz bekannt geworden) formierte sich jedoch rasch Widerstand. Unter anderem angeregt durch die Fragen und Themen der studentischen, außerparlamentarischen Opposition, kurz der Studentenbewegung, geraten auch die Inhalte der bundesrepublikanischen Bildungseinrichtungen ins Visier. Beachtung finden u.a. die Freudschen (Brocher 1971, S. 22 ff.) Erkenntnisse über die große Bedeutung frühkindlicher Entwicklung für ein gesundes Sexual- und Seelenleben, die Schriften des Reformpädagogen Alexander Neills zur antiautoritären Erziehung genauso wie die Bücher des südamerikanischen Befreiungspädagogen Paulo Freire (1973) oder das Konzept der Selbstaktualisierung des amerikanischen Psychotherapeuten Carl Rogers (Sander 1999, S. 43 ff.).

Sie alle fordern, mehr oder weniger, die Notwendigkeit des wertschätzenden Respekts für die Einzigartigkeit der menschlichen Persönlichkeit und ein behutsames Vorgehen in Erziehungsfragen, um eine gute körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Menschen zu ermöglichen. Gefordert wird ein achtungsvoller, einfühlsamer und liebevoller Umgang mit dem Nachwuchs, damit einerseits das nötige Urvertrauen und wachstumsfördernde Beziehungsfähigkeit entwickelt werden können und andererseits die Grundlagen für ein echtes soziales und demokratisches Miteinander in der Gemeinschaft ermöglicht werden: Selbstbewusstsein zu entwickeln, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und sich aktiv und mitgestaltend an der Entwicklung des Gemeinwesens zu beteiligen sind wichtige Zielperspektiven dieser humanistisch geprägten Vordenker. Als hinderlich für die Entwicklung dieser Qualitäten werden z.B. zu frühe Anpassungsleistungen (etwa in der Sauberkeits- und Ordnungserziehung oder übertriebene frühzeitige Leistungsanforderungen) problematisiert sowie ein in den herkömmlichen Institutionen erzeugtes Lernverständnis, das wenig bis gar nicht Rücksicht auf die Bedürfnisse der Lernenden nimmt.

Ein Teil der jungen Generation, die sich solchen und anderen 68er-Reformideen verhaftet fühlt, macht sich daher auf den Weg, durch Gründung eigener Kinderbetreuungseinrichtungen, etwa der Kinderläden oder freien Schulen, andere Inhalte und Formen der Erziehung zu leben. Die Frauen, die jetzt an die Uni drängten, benötigten Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder und waren mit den wenigen, überwiegend in konfessioneller Trägerschaft befindlichen nicht zufrieden.

Vor allem das Studium der Geisteswissenschaften erfreut sich in dieser Zeit großer Nachfrage. Hier ist der Ort, wo die Vergangenheit kritisch durchforscht und analysiert wird, hier wird aber auch über Konsequenzen und Perspektiven humaner, zukünftiger Gesellschaftsformen nachgedacht und zum Teil heftigst gestritten. Nicht wenige ergreifen zu dieser Zeit z.B. einen pädagogischen Beruf, um den vom Studentenführer Rudi Dutschke (1998) geforderten "Marsch durch die Institutionen" (S. 334) anzutreten.

Unter anderem vor dem Hintergrund der damals vehement vorgetragenen studentischen Kritik, die sich vor allem auch als eine Anmahnung der Lehren für das Bildungssystem aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus darstellten, und im Auftrag der Bundesregierung entsteht das durch Jürgen Zimmer und andere im Deutschen Jugendinstitut in München entwickelte Curriculum "Soziales Lernen" (DJI Forschungsbericht, Teil 1, 1981, S. 94 ff.) für den Elementarbereich. Es entfaltet eine Fülle von Reformvorschlägen, die im Austausch mit ErzieherInnen vor Ort in den Kindergärten gewonnen wurden (Aktionsforschung!) (DJI Forschungsbericht, Teil 2, 1981, S. 214 ff.).

Ziel ist es, frischen Schwung in die Kindergartenlandschaft zu bringen. So werden z.B. die Einführung von altersgemischten Gruppen angeregt, die Einführung von gezielter Elternarbeit, Projektarbeit und offene Planung, um nur einige Grundsätze zu nennen. Im Zentrum aber all dieser Bemühungen soll die Orientierung am Kind und dessen Bedürfnissen sein. Das heißt, alle pädagogischen Maßnahmen und Aktivitäten haben sich letztlich über die Beantwortung der Frage zu legitimieren, ob sie am Erkenntnis- und Entwicklungsinteresse des Kindes orientiert sind.

Damit ist ein deutlicher Paradigmenwechsel im Nachkriegsdeutschland beziehungsweise im Verständnis zeitgemäßer Frühpädagogik eingeleitet. Das dem Situationsansatz zugrundeliegende Menschenbild setzt auf autonome Subjekte/ Persönlichkeiten, denen die Entwicklungs- und Erziehungsziele Autonomie, Kompetenz und Solidarität zugedacht sind.

Für die Kindergärten entstehen pädagogische Arbeitsmaterialien, die so genannten didaktischen Einheiten, die gemeinsam von Erziehungskräften und Wissenschaftlern in Modellkindergärten entwickelt und erprobt wurden. Den Kindern sollen in lebensnahen, das heißt für sie wichtigen Alltagssituationen Erfahrungen ermöglicht werden, die für den Aufbau von Handlungskompetenzen in zukünftigen Lebenssituationen behilflich sein sollen.

Wie so oft bei Neuerungen, gelingt allerdings die Umsetzung dieser innovativen Ideen in der Praxis nur bedingt. Den Ausbildungsstätten glückt es nur partiell, das neue Denken in praktikable Ausbildungskonzepte umzusetzen. Vielfach hängt die erfolgreiche Umsetzung mit dem Mangel an geeigneten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten des Lehrpersonals selbst zusammen, scheitert aber auch an der mangelnden Bereitschaft zu zusätzlichem Engagement und Veränderungswillen, da es zum Beispiel keine zusätzlichen Entwicklungsanreize gibt.

Entsprechend rudimentär blieben die Ansätze in der Praxis, obwohl für Außenstehende nach der Lektüre der einschlägigen Fachliteratur der Eindruck entstehen muss, dass in Deutschland flächendeckend nach dem Situationsansatz gearbeitet wird. Dies aber ist ein bedauerlicher Trugschluss bis auf den heutigen Tag.